Kristian Fenzl ist ein Augenmensch. Und das nicht nur weil er das Kind eines oberösterreichischen Optikers ist. Intensiv hat sich der Maler, der Kunstuni-Professor, in den letzten Jahren u.a. dem Thema Landschaft verschrieben und es ausgekostet. In mediterranen bis eisblauen Farben. Bis hin zur völligen Abstraktion.
Die Werkgruppe Paraiso bedeutet tatsächlich eine klare Zäsur in seiner Entwicklung. Fenzl ordnet seinen Landscapes nun sehr konkrete Körperlandschaften zu. Das Lustvolle ist geblieben.
Seit jeher zeigen sich künstlerische Geister durch erotische Fantasien belebt. Nach frühzeitlichen Darstellungen im anthropologischen Kontext von Fruchtbarkeitskulten beschränkt sich die Darstellung von Nacktheit im Altertum meist auf den mythologischen Bereich. Erst die Renaissance und ihre Neuentdeckung des menschlichen Körpers entmythologisieren die erotische Darstellung, die in der Ikonografie des Rokoko im 18. Jahrhundert explizit kulminiert.
In gegenwärtigen Tendenzen findet diese Entwicklung ihre Steigerung. Man muss heute von einer Pornografisierung der Kunst sprechen, besser vom sexuellen Overkill in Gesellschaft und Kunst. Eben hier setzt Kristian Fenzls Reflexion an.
Künstlerische Methodik
Die Auswahl der Bildvorlagen für Paraiso folgt keinem zwingenden Prinzip. Kristian Fenzl vergrößert Frauenbilder unserer Zeit und überträgt sie als Druck auf die Leinwand.
Durch digitale Bildbearbeitung der Artefakte und durch analoges Übermalen erzielt Fenzl Unschärfen. Er ordnet die übermalten Figuren auch den Landschaften früherer Jahre zu, die gleichfalls übermalt werden. Diese Di- und Triptychen werden mit einem Schleier überzogen. Die Mehrschichtigkeit von weißen und farbigen Fakturen sorgt für Irritation und malerische Ambivalenz.
Weiß symbolisiert die Unbeflecktheit der verschleierten Frau, Werke mit rosafarbigem Schleier stehen für das Inkarnat, für das Lustprinzip des Rokoko. Doch die paradiesisch anmutenden Körper entziehen sich dem Zugriff. Vom anonymen Lustobjekt werden die Frauen gleichsam zu kostbaren Preziosen, die dem Betrachter verborgen bleiben. Kristian Fenzl evoziert so den voyeuristischen Blick, er entschärft ihn aber zugleich mit subtiler Manier.
Seine Werkzeuge sind Lacke. Fein gelöst werden sie direkt aus der Dose gespritzt, dann wieder verdichtet in Strängen oder akribischen Farbteppichen angelegt. Fenzl lässt Farben in Rinnsalen ineinander fließen, vermischt sie zu amorphen Kleksen. Die freie Geste ist wesentlich.
Zur Rezeption
Kristian Fenzl steht wie andere Maler seiner Generation im Kontext der internationalen Entwicklung. Die Liste jener, die sich vor dem Hintergrund von erotischer Entgrenzung oder Pornografisierung der Gesellschaft mit Nacktheit befassen ist lang. Sie reicht vom Spätprotagonisten der Popart Mel Ramos bis zum Großmeister des Schocks Jeff Koons.
Auch Arnulf Rainer bedient sich im Zyklus Nackt durch die Jahrhunderte (2003) durch Übermalung historischer Frauenfiguren genussvoll der Erotik. Dagegen zitiert Fenzl in Paraiso keinerlei historischen Kontext. Er ist auch nicht an psychologisierender Darstellung von seelischen Zuständen interessiert.
Diese Serie von Kristian Fenzl verweist nun auch mehr auf das Werk von Gerhard Richter, der die Methode der Übermalung seit Jahrzehnten immer wieder anwendet. Richters fotorealistische Abmalungen zeigen – vor allem in den Meereslandschaften – manifeste Bezüge zur deutschen Romantik. Doch Fenzls Interesse gilt nunmehr auch der Landschaft, die er übermalt und den Ganzkörperportraits aus gestalterischem Impetus heraus beiseite stellt. Die Protagonistinnen von Paraiso folgen somit weder Geschichten der Historie noch einem Topos. Sie wirken auf uns kontextlos.
Kern des Fenzlschen Oeuvres bleibt die Projektion von Sehnsüchten. Auf die Suche nach der Ideallandschaft ist ein Entlarven der heutigen Gesellschaft in ihrer Suche nach dem Ideal ewiger Jugend und Schönheit gefolgt. Auch Maler und Betrachter können sich diesem Ideal hingeben. Und sich selbst dabei ertappen, wie schuldbewusst man in einer bigotten Gesellschaft mit sexuellen Themata umgeht.
Dr. Bernhard Barta
Kunsthistoriker, Kurator, Kulturjournalist und Buchautor. Mehrere Jahre für das KunstHausWien und das Lentos Kunstmuseum Linz tätig.